Trotz enger Spreads: Unternehmensanleihen überzeugen weiterhin


von


Oliver Reinhard,
Senior Portfolio Manager

T +41 44 284 24 60

Der Renditeaufschlag von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen hat sich in diesem Jahr weiter eingeengt und wirft die Frage auf, ob ein Investment in Unternehmenspapiere aktuell noch sinnvoll ist. Aus unserer Sicht lautet die Antwort: ja – und das aus verschiedenen Gründen.

Europäische IG-Unternehmensanleihen haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten stärker entwickelt als Staatsanleihen. Das lag insbesondere daran, dass der Friedensprozess für die Ukraine trotz aller Schwierigkeiten immer stärker Fahrt aufzunehmen scheint. Vor diesem Hintergrund steigen die Hoffnungen auf ein Ende des Krieges und einen damit verbundenen neuen konjunkturellen Schwung in Europa. Darüber hinaus schwanken die Renditen von Unternehmensanleihen derzeit weniger als die ihrer staatlichen Pendants, da die Credit Spreads langfristig negativ mit den Renditen von Staatsanleihen korrelieren. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass viele der hochwertigen Schuldner im Bereich Investment Grade weltweit tätig sind und daher per se einen gewissen Schutz vor länderspezifischen Risiken sowie eine bessere Diversifikation im Vergleich zu Staatsanleihen bieten.

Starke Fundamentaldaten
Ein weiterer Faktor, der die derzeit engen Spreads rechtfertigt, sind die starken Fundamentaldaten. Denn anders als viele Staaten, die mit teils stark steigenden Verschuldungsraten kämpfen, haben Konzerne in den vergangenen Jahren oftmals ihre Bilanzen bereinigt und stehen solide da: Bei bonitätsstarken europäischen Unternehmen (ohne Berücksichtigung britischer Emittenten) liegt die durchschnittliche Netto-Verschuldung bei soliden 2,7x im Verhältnis zum EBITDA (Earnings before Interest, Tax, Depreciation and Amortization). Der Zinsdeckungsgrad – also wie oft Unternehmen ihre Zinsen aus dem Gewinn zahlen können – liegt bei robusten 13x. Mit Blick auf die EBITDA-Margen weisen die europäischen IG-Emittenten aktuell gar die stärkste Entwicklung aller Zeiten auf.

All dies spiegelt sich auch in der gestiegenen Kreditqualität wider: Die Bonitäts-Upgrades der Ratingagenturen übertrafen zuletzt die Downgrades. Der Anteil der untersten Investment-Grade-Bewertung BBB- ist im entsprechenden globalen Unternehmensanleiheindex in den vergangenen Jahren stetig gesunken.

Hohe Nachfrage, geringes Angebot
Neben den Fundamentaldaten der Unternehmen haben auch technische Faktoren zur jüngst positiven Entwicklung bei Unternehmensanleihen beigetragen: Hohen Kapitalzuflüssen in bonitätsstarke Euro-Unternehmensanleihen steht eine zuletzt geringere Emissionstätigkeit entgegen. Dieser Trend dürfte sich im weiteren Jahresverlauf fortsetzen und das Netto-Emissionsvolumen 2025 kleiner ausfallen als im Vorjahr (siehe Grafik). Denn viele Unternehmen halten sich aufgrund der Unsicherheiten rund um Konjunktur und Zölle bei Investitionen ebenso zurück wie bei Fusionen und Übernahmen. In der Folge bleibt die Verschuldung konstant oder nimmt sogar ab, was wiederum die Spreads unterstützt.

Grafik: Geringeres Emissionsvolumen bei bonitätsstarken Euro-IG-Unternehmensanleihen erwartet

Quelle: J.P. Morgan, Angaben in Milliarden Euro

Gesundheitswesen und Finanzwerte interessant
Insgesamt dürfte die positive Entwicklung bei europäischen IG-Unternehmensanleihen daher unserer Erwartung nach weitergehen – und die Anlageklasse damit interessante laufende Renditen und Diversifikationseffekte für Investoren bieten.

Dabei zeigt sich auf Sektorenebene ein relativ einheitliches Bild. Der Automobilsektor hat seine jüngste Schwäche überwunden und bietet mittlerweile keinen aussergewöhnlichen Renditeaufschlag mehr. Zyklische Sektoren wie Chemie und Energie halten wir für weniger interessant – anders hingegen Finanzwerte, da diese von möglichen Zöllen kaum betroffen sein dürften. Hier lohnt sich für Anleger auch ein Blick weiter unten in die Kapitalstruktur. Ebenfalls positiv sehen wir die Gesundheitsbranche, darunter insbesondere die grossen Pharmaunternehmen, sowie den Telekommunikationssektor. Für Anleger kann ein diversifiziertes Unternehmensanleiheportfolio daher eine renditestarke Form der Langeweile sein – im besten Sinne.

Oliver Reinhard,
Senior Portfolio Manager

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